Vom Bergwerk zur Touristenattraktion: Der Strukturwandel im Ruhrgebiet

Wieso nur eintönig über den Strukturwandel sprechen, wenn wir ein Paradebeispiel direkt vor der Haustür haben? Das dachten sich auch die Erdkunde-Kurse der Q1 am 03. Mai 2024 und verließen daher ihre gewohnte Umgebung, Raum 3.03, um sich auf eine kurzweilige Rundreise durchs Ruhrgebiet zu machen.

Das Ruhrgebiet erstreckt sich von der Ruhr im Süden bis zur Lippe im Norden, von Hamm im Osten bis zum Rhein im Westen. Die ersten Assoziationen vieler werden wohl der Bergbau und heruntergekommene Zechensiedlungen sein. Tatsächlich war das Ruhrgebiet in seiner Geschichte ein Motor der Industrialisierung und ein Ballungsraum und Entwicklungszentrum der Montanindustrie. Somit war es maßgeblich an der Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland und seiner volkswirtschaftlichen Relevanz in der Welt beteiligt. Auch heute findet sich dort noch eine hohe Bevölkerungsdichte. Von der einst boomenden Industrie sind jedoch größtenteils nur noch Überbleibsel in Form begehbarer Zeitgeschichte vorhanden. Heute zeichnet die Region sich vor allem durch seine Vielzahl von Hochschulen und seine Dichte an Großstädten aus.

Um die wichtigsten Städte und Sehenswürdigkeiten zu sehen, mussten wir also pünktlich um 07:30 Uhr die knapp 140 Kilometer lange Fahrt nach Essen antreten. Auf der gut zwei Stunden langen Busfahrt konnten wir bereits Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen zumindest teilweise betrachten.

Nachdem unsere Guides des Regionalverbandes Ruhr (RVR) hinzugestiegen waren, ging es weiter in die Zechensiedlung Essen-Katernberg und dann auf das Gelände der Zeche Zollverein. Diese steht beispielhaft für den Strukturwandel des Ruhrgebiets. Auf dem Gelände gibt es heutzutage diverse Nachnutzungen. Im Verlauf der Tertiärisierung haben sich hier nicht nur Künstler und Gastronomien niedergelassen, auch Hotelanlagen und Museen wurden errichtet. Das Gelände der Zeche zeigt zum einen wie wichtig der Tourismus im gesamten Ruhrgebiet nun ist. Fast 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher zählt der Standort jährlich. Es zeigt aber auch die negativen Seiten des Strukturwandels, gescheiterte Projekte und Visionen. So stehen dort noch viele Grünflächen frei, die Ausgestaltung und Nachnutzung dieser erweist sich als schwierig, sowohl aus finanziellen Gründen wie auch aufgrund mangelnder Attraktivität. Weniger nach radikaler Effizienz und Provisorium sehen wiederum die Arbeitersiedlungen Bottrops aus. Sie stehen beispielhaft für die zeitgenössischen sozialen Konflikte. Nur aufgrund von Protesten der Arbeiterschaft, fing man dort an arbeiterfreundlichere Zechensiedlungen zu bauen. In der Folge wurden die Straßen nunmehr kurviger erbaut, die Häuser individueller gestaltet und Vorgärten eingerichtet. Heute ist das gesamte Gebiet auf einer Fläche vergleichbar mit dem Stadtgebiet Münchens durch Bodenabsenkungen als Folge des unterirdischen Bergbaus überflutungsgefährdet. In Stadtnähe befand sich auch unser nächstes Ziel. Wir bestiegen den Tetraeder bei abenteuerlichen Wetterverhältnissen, um auf einer Höhe von 60 Metern einen Überblick über das Ruhrgebiet zu gewinnen. Zusätzlich symbolisiert diese Attraktion nochmals den Wandel vom Industriestandort hin zu einer Tourismusregion. Weiter ging es darauf nach Oberhausen. Bei der Betrachtung der Emscher erfuhren wir von Renaturierungsmaßnahmen, die vorgenommen werden, um die Biodiversität in den ehemaligen Bergbaugebieten wieder herzustellen. Zusätzlich zeigt das Gasometer, das jetzt als Messe- und Ausstellungshalle genutzt wird und das Einkaufszentrum CentrO, dass der Tourismussektor hier durchaus Erfolg hat. Dies konnten wir während unserer Mittagspause in einem gut gefüllten Food-Court selbst erleben. Anschließend besichtigten wir im Landschaftspark Duisburg-Nord ein stillgelegtes Hüttenwerk, das mittlerweile auch als Messe- und Kongressgelände genutzt wird. Früher wurden die im Ruhrgebiet gewonnenen Rohstoffe hier weiterverarbeitet. So wurde hier unter anderem Eisen hergestellt. Außerdem konnten wir bei der Begehung eines der Hochöfen auf dem Gelände nochmals eindrucksvoll das Ruhrgebiet aus nun 70 Metern Höhe überblicken. Kurz nach Antritt der Rückfahrt nach Essen, wo wir unsere Guides verabschiedeten, gelang uns noch ein kurzer Blick auf den Hafen Duisburgs. Der sogenannte „duisport“ ist mit seiner Geschichte der größte Binnenhafen Europas. Nach einigen weiteren Eindrücken von Essen und Dortmund, endete unsere Rundreise um ca. 18:30 Uhr wieder in Paderborn.

Insgesamt lässt sich sagen, dass wir an diesem Freitag eine der historisch wichtigsten Regionen Deutschlands, vor allem wirtschaftlich, lebendig und eindrucksvoll kennenlernen durften. Im Ruhrgebiet findet der Strukturwandel bereits seit Jahren statt und ist noch immer in vollem Gange. Es gibt Pilotprojekte für nachhaltige Stadtentwicklung und es ermöglicht Raum für Visionen und Zukunftsplanungen. Trotzdem ist es auch ein Beispiel für gescheiterte Ideen und soziale Ungleichheiten und hat noch einen spannenden Weg mit viel Potenzial vor sich.

Text: Patrick Rotzoll und Garrick Gockel (Q1)