Gedenkveranstaltung anlässlich der Zerstörung Paderborns am 27.03.
Schülerinnen des Geschichts-Leistungskurses Q1 und Geschichtslehrer sowie die Turmbläser gestalteten die Gedenkveranstaltung anlässlich der Zerstörung Paderborns am 27.03.
„Liebe Kollegen, unsere Schule wurde gebeten, den diesjährigen Gedenktag zum 27.3., zur Bombardierung Paderborns 1945, mit Schülern zu gestalten. Bevor wir zusagen, würde ich gern eure Meinung dazu hören.“
Dies fragte am 27.3.2003 vor dem Mahnmal am Busdorfwall, nachdem ein Zeitzeugenbericht der Zerstörung Paderborns am 27.3.1945 – bei der nahezu die komplette Innenstadt zerstört worden war und fast 900 Einwohner ums Leben kamen – verlesen worden war, Dr. Bernhard Böttcher seine Geschichtskollegen Jörg Heger und Paul Pawlak. Und damit präsentierte er auch den intensiven Austausch, den Kollegen und Schülerinnen unserer Schule im Vorfeld geführt hatten. Die Gestaltung hatte in weiten Teilen Züge eines Dialogs über den Sinn von Gedenkveranstaltungen mit Schülern, speziell dem Paderborner Gedenken an die eigenen Opfer 1945.
Kollege Jörg Heger antwortete:
„Nun, ich finde diese Idee grundsätzlich gut, schließlich sprechen wir ja auch gerne von einem „kritischen Geschichtsbewusstsein“, das unsere Schüler entwickeln sollen. Ich habe nur meine Zweifel, ob das auf diese Weise gelingt: Mancher Schüler weiß ja am Ende der Oberstufe noch nicht einmal, wann der Zweite Weltkrieg begann. Auch Tatorte des Vernichtungskrieges wie Riga oder Babyn Jar sind den meisten doch ehrlicherweise unbekannt; sollten wir da nicht verstärkt arbeiten?“
Und Dr. Böttcher setzte fort: „Ich glaube, das Gedenken mit Schülern bietet einen riesigen Gewinn, eine große Chance für Schüler, sich mit den Ereignissen vor Ort auseinanderzusetzen. Sie lernen, wie die große Weltgeschichte sich hier vor Ort auswirkte. Regionalgeschichte zeigt das wie in einem Brennglas.“
Dieses Gespräch weitete sich kurz darauf und nahm die Sicht von zwei Schülerinnen – Anna Schmidtmann und Isolde Modlmayr – aus dem Geschichts-Leistungskurs der Q1 mit auf. Dabei wurden einerseits didaktische Möglichkeiten des Gedenkens benannt, die die Lehrer noch nicht ins Auge gefasst hatten, zum anderen artikulierten die Schülerinnen die Schwierigkeiten von Gedenken heute in Zeiten des Krieges in der Ukraine, wenn man als junger Mensch russische und ukrainische Freunde hat:
Anna:
Wenn ich an die Methoden und Wege unserer Zeit denke, kommt mir als erstes Social media in den Sinn. Tatsächlich gibt es sogar schon Anknüpfungspunkte zwischen dem Gedenken an die Geschichte und dem neuen Zuhause unserer Generation. Zum Beispiel wurde anlässlich des 100. Geburtstags von Sophie Scholl ein Instagram-Projekt von SWR und BR gestartet, mit dem die Follower des Accounts IchbinSophieScholl durch Storys und Beiträge über die letzten zehn Monate ihres Lebens aufgeklärt werden konnten. Da stellt sich mir die Frage, wieso man das nicht öfter macht. Man könnte doch auch bei anderen Gedenktagen den Stoff aus den Geschichtsbüchern ins Hier und Jetzt holen. Im Fall von Paderborn könnte ich mir gut vorstellen, dass man unsere Generation durch Social Media möglicherweise nachempfinden lassen könnte, wie es einer fiktiven Person unseres Alters an den Tagen vor und nach der Bombardierung ging. Natürlich ist das aufwendig, aber ich glaube, wenn Erinnern so leicht wäre, müssten wir Gespräche wie heute nicht führen.
Isolde:
Das Thema des Krieges verlässt uns nicht und wir können sogar teilweise sehen, wie sich Teile der Geschichte wiederholen. Der Ukraine-Krieg erinnert uns auf schreckliche Weise daran, dass der Krieg aktuell ist und wie ein Schleier auch über unserer liegt.
Anna:
Ich habe auch gemerkt, dass die Situation mit dem Krieg in der Ukraine viel realer wirkt. Manchmal vergisst man bei den vergangenen Kriegen, dass sie eben nicht nur in den Geschichtsbüchern stehen oder beunruhigende Erzählungen unserer Großeltern sind. Aber jetzt spürt man selbst hier hautnah, wie die Menschen gespalten werden. Auch wenn ich jetzt an meinen Freundeskreis oder meine Mitschüler denke, dann sind da sowohl ukrainisch als auch russisch stämmige Personen, zwischen denen plötzlich ein Konflikt steht, der gleichzeitig geographisch so weit weg ist.
Isolde:
Kann man also die Situation noch objektiv bewerten?
Was passiert mit unseren Wertvorstellungen und inwiefern sind wir aufgefordert für unsere Prinzipien einzustehen, auch wenn das mit dem Verlust von Freunden einhergehen kann?
Können wir selbst bestimmen wie wir uns erinnern und wird uns ausreichend Bewusstsein von den älteren Generationen mitgegeben?
Anna:
Ich stimme dir bei deinen Fragen voll zu. Erinnern ist wichtig und genau deshalb, sollten auch alle Generationen daran teilhaben. Es ist wichtig, sich die Fragen zu stellen, was wir aus der Vergangenheit lernen können, aber es bleibt trotzdem schwer, zu entscheiden, was man mit diesem Wissen in der Gegenwart anfängt. Dann stehen wir nämlich wieder vor offenen Fragen. Sollen wir hoffen, dass andere aus den Friedenskompromissen der Geschichte lernen. Und wenn das der Fall sein sollte, warten wir dann, bis die anderen lernen oder können wir selbst handeln?
Im Anschluss legte Bürgermeister Michael Dreier sowie Vertreter der Bundeswehr und der britischen Truppen Kränze nieder, während die Turmbläser unter der Leitung von Dr. Robert Liebrand ein Largo von Händel spielten. Als Eingangsstück hatten sie bereits ein Adagio von Mendelssohn-Bartholdy gespielt und als Abschluss erklang das berühmte Lied Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
B. Böttcher