Gedenkstättenfahrt nach Theresienstadt und Lidice

Vorbereitung des Musikdramas "Die Kinder der toten Stadt":
Gedenkstättenfahrt nach Theresienstadt und Lidice

Bereits seit Beginn des Schuljahres ist eine große Gruppe von über 100 Schülerinnen und Schülern zusammen mit mehreren Lehrkräften in die Vorbereitung des Musikdramas "Die Kinder der toten Stadt" eingebunden.

Dieses erinnert an die Kinder im Ghetto Theresienstadt, die die Kinderoper "Brundibar" aufführen mussten und ihre Hoffnung auf Freiheit in die Musik setzten. Die Handlung des Musikdramas basiert also auf historischen Ereignissen und Erlebnissen von Überlebenden des Ghettos.

Nun, acht Wochen vor der Premiere, begab sich in der Woche des Holocaustgedenkens eine Gruppe von 58 Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Jahrgangsstufen (Stufe 8 – Q2) gemeinsam mit acht begleitenden Pädagoginnen und Pädagogen auf eine Gedenkstättenfahrt nach Theresienstadt und Lidice in Tschechien.

Für zwei Tage war die Gruppe vor Ort in der Jugendherberge Theresienstadt untergebracht und lernte bei mehreren Führungen und in anschließenden Workshops die Geschichte des Ghettos und seiner Insassen kennen.

Das Ghetto wurde während des Holocaust im Mai 1941 von der SS zunächst für alte und prominente Juden, später für Juden aus ganz Europa in der ehemaligen Garnisonsstadt Theresienstadt eingerichtet. Bis Mai 1945 wurden hier etwa 140.000 Menschen unter menschenverachtenden Bedingungen untergebracht, von denen der größte Teil früher oder später in die großen Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurde.

Für eine besonders perfide Propaganda-Aktion gegenüber einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes ließ die SS Theresienstadt von den Insassen "verschönern". Als diese im Juni 1944 das "Vorzeige-Ghetto" besichtigte, um die Lebensbedingungen der Juden zu prüfen, fanden sie eine idyllische Kleinstadt vor: Eigens dafür errichtete Spielplätze, Cafés, Läden, in denen Besitztümer deportierter Juden zum Verkauf standen, zahlreiche kulturelle Veranstaltungen und Schilder mit der Aufschrift "Schule", welche sonst verboten war. Auch die Oper "Brundibar" wurde zu diesem Zwecke aufgeführt und gefilmt.

Eine besondere Verbindung zum Stück ergab sich in dem mehrstündigen per Videoanruf geführten Zeitzeugengespräch mit Dr. Michaela Vidláková, die als Sechsjährige mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert wurde und dort bis Kriegsende eingesperrt war. Schülerin Josefine Wilck erinnert sich an einen Höhepunkt der Fahrt:

"Sie erzählte uns sehr klar, lebhaft und eindrücklich von dem eingeengten Leben im völlig überfüllten Ghetto, den Krankheiten, Wanzen und Läusen und der Ungewissheit über die Transporte in den "Osten" (Auschwitz). Dennoch hatte sie erstaunlicherweise stets ein Lächeln auf den Lippen. Ihr Fokus schien auf den Dingen zu liegen, die sie für ihr Leben gelernt hat: Freude in den kleinen Dingen zu finden und optimistisch zu sein. Freunde zu haben und selbst ein Freund zu sein. Selbstständig, praktisch und vorausschauend zu denken. Denn all dies, zusammen mit einer Menge Glück, sorgte dafür, dass sie sich zu den wenigen Überlebenden zählen kann. Besonders berührend war für die meisten von uns die Stelle in ihrer Erzählung, an der klar wurde, dass ihr letztlich ihr geliebter Spielzeughund aus Holz, der das Handwerkstalent ihres Vaters bewies, das Leben rettete. Als sie nämlich kurz vor Kriegsende nach Auschwitz deportiert werden sollten, musste gerade ein Holzdach im Ghetto repariert werden, wofür sich ihr Vater meldete. Währenddessen fuhr der Zug - die letzte Deportation vor der Befreiung - ohne sie ab. Schnell realisierten wir, dass genau darauf die Geschichte eines Protagonisten mit Holzpferd im Musikdrama basiert, was sie uns bestätigte. All das von ihr persönlich zu erfahren und dadurch zu "Zweitzeugen" zu werden, war für mich und sicherlich viele andere Zuhörer sehr bedeutsam und anregend."

Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der Besuch des jüdischen Friedhofs mit dem Krematorium, der die Reisegruppe sehr bewegte. "Ich stehe hier, und sehe es, und kann es trotzdem kaum glauben", so ähnlich ging es den meisten Teilnehmern.

Am Abend vor der Abreise verliehen die Jugendlichen ihren Empfindungen in einer Gedenkzeremonie Ausdruck, in der sie aus Paderborn mitgebrachte Kerzen an einer Gedenktafel entzündeten und das Lied "Ein Funke in der Dunkelheit" aus dem Musikdrama anstimmten.

Vor der Rückfahrt besuchte die Gruppe noch die Gedenkstätte Lidice. Im Museum und in einer Führung über das Gelände, auf dem kein Haus mehr steht, erfuhren die Teilnehmenden mehr über die tragische Geschichte des Dorfes. 1942 lebten dort fast 500 Menschen, als Tschechien durch die Nationalsozialisten besetzt war. Nach dem Attentat auf den SS-Obergruppenführer und Leiter der Wannseekonferenz Reinhard Heydrich, der im Herbst 1941 mit der Vernichtung der europäischen Juden beauftragt worden war, konstruierten die Nationalsozialisten Anfang Juni 1942 einen weit hergeholten Zusammenhang der Attentäter mit dem Dorf Lidice und beschlossen als Racheaktion, das Dorf dem Erdboden gleichzumachen. Die Geschichte dieses Massakers, vor allem die Tötung der vielen Kinder, bewegte die Schülerinnen und Schüler sehr. Mit einer Schweigeminute am Denkmal für die getöteten Kinder gedachte die Gruppe den Opfern.

Die Fahrt nach Theresienstadt und Lidice wird bei allen Teilnehmenden sicherlich noch lange nachklingen. Die letzten Wochen der Vorbereitung des Musikdramas werden nun unter den Eindrücken der Fahrt noch einmal mehr im Gedenken an die Opfer verbracht werden . "Durch den Besuch der Gedenkstätten kann ich nun die historischen Informationen auch mit dem realen Erleben der Orte verknüpfen und so eine Vorstellung von der damaligen Situation in Theresienstadt und allgemein im Holocaust entwickeln. Diese neuen Bilder im Kopf werden mir bei den Vorbereitungen des Musicals sicher helfen, die Botschaft beim Musizieren gut herüberbringen zu können." resümiert Josefine, die als Violistin instrumental beteiligt sein wird. Der Untertitel "Musikdrama gegen das Vergessen" ist umso mehr für alle zur Verpflichtung geworden.



Geplante Aufführungstermine des Musicals:
28. und 30. März sowie 02. und 04. April in der Aula am Kamp.

Kartenvorverkauf ab Ende Februar, weitere Infos folgen.

Informationen zum Musicaldrama: www.diekinderdertotenstadt.de