Die Wiege Europas - wir fahren hin
Vikos Studienfahrten nach Griechenland
"Unter allen Völkerschaften haben die Griechen den Traum des Lebens am schönsten geträumt" (Johann Wolfgang von Goethe)
Seit 1970 finden Studienfahrten der Jahrgangsstufe Q2 des Theodorianum nach Griechenland statt. So bietet sich den kommenden Abiturienten die einmalige Gelegenheit, im Unterricht Erfahrenes und Gelerntes an Ort und Stelle in Augenschein zu nehmen und gleichzeitig ihre Schullaufbahn im Rahmen einer Studienfahrt ausklingen zu lassen. Liegt darin etwa ein Interessenkonflikt? 2014-Griechenland-Fahrtroute
Tatsächlich stehen die begleitenden Lehrpersonen jedes Jahr vor der Aufgabe, die richtige Balance zwischen dem Besichtigungsprogramm und dem "Erlebnischarakter" der Fahrt zu finden. Natürlich bedarf die (kunst-)historische, archäologische und landschaftliche Vielfalt Griechenlands einer intensiven Begutachtung, aber Baden, Essen gehen, Einkaufen und Bekanntschaften mit Griechen sind nicht nur motivationsfördernde Begleiterscheinungen, sondern dienen in gleicher Weise dem kulturellen Erleben des bereisten Landes. Gerade heute – angesichts der immensen finanziellen Probleme der Griechen – sollten wir uns nicht nur den antiken Stätten zuwenden, sondern sensibel sein für die Probleme eines Landes, das auf Grund seiner ruhmreichen antiken Vergangenheit als Wegbereiter so vieler moderner Errungenschaften gilt.
Erste Station ist nach einer nächtlichen Busfahrt in der Regel Venedig, das zwar nur kurz besichtigt werden kann, wegen der Spuren, die die Venetianer an vielen Orten Griechenlands hinterlassen haben, aber einen sinnvollen Ausgangspunkt darstellt. So sieht man z. B. den venezianischen Löwen von der Piazza S. Marco am Syntagma-Platz in Nauplia (Nafplio) wieder. Auf der sogenannten Nordroute kommen wir nach etwa 20 Stunden mit der Fähre in Igoumenitsa an, fahren an der Universitätsstadt Ioannina vorbei und machen – nach einem kurzen Abstecher zur beeindruckenden Vikos-Schlucht – in Kalambaka bei den weltberühmten Meteoraklöstern Station. Mindestens eins der sechs großen Klöster, die unter schwierigsten Bedingungen auf den bis zu 600 m hochragenden Felsen gebaut wurden, wird besichtigt. Tagesbesprechung
Schon am nächsten Tag geht es weiter nach Delphi, das wegen seiner exponierten Lage am Rand des Parnass-Gebirges den Besuch der antiken Orakelstätte mit einer überwältigenden Aussicht auf den Golf von Korinth verbindet. Den schönsten Blick erhält man nach einer etwa 1 ½ stündigen Wanderung ins Gebirge, idealerweise bei Sonnenuntergang. Die Besichtigungen des Apollon-Heiligtums, der Marmaria und des Museums finden am nächsten Morgen statt, gegen Mittag machen wir uns dann auf in Richtung Athen. Unterwegs halten wir zunächst in dem kleinen Ort Distomon. Die hier errichtete Gedenkstätte erinnert an eines der grausamsten Verbrechen der deutschen Wehrmacht, die im Zuge einer Vergeltungsaktion über 200 Dorfbewohner ermordete. Kurz danach besuchen wir das von dem Eremiten Loukas von Stiri im 10. Jhdt. gegründete orthodoxe Kloster Hosios Loukas. Hauptattraktion sind dort die herrlichen Fresken und Mosaiken der Hauptkirche der byzantinischen Klosteranlage, des sogenannten Katholikon.
Nach diesem eher ruhigen Fahrtbeginn mit vielen Naturerlebnissen stellt der Besuch in Athen einen starken Kontrast dar. Die Reaktionen der Schüler auf das anstrengende Besichtigungsprogramm und das hektische Treiben in der modernen Großstadt fallen daher gemischt aus. Überwältigend ist das Gefühl, von der Akropolis den Blick über das Häusermeer schweifen zu lassen und das Wahrzeichen der Stadt und Postkartenmotiv schlechthin, den Parthenontempel, aus der Nähe zu begutachten. Ernüchternd wirkt dagegen der Anblick von Müllbergen, verwaisten Geschäften und Armenvierteln in unmittelbarer Nähe zum antiken Zentrum der Stadt.
Die Besichtigung des Poseidon-Tempels am Kap Sounion lässt sich bei gutem Wetter mit einem Strandaufenthalt verbinden. Auch der folgende zweitägige Aufenthalt auf der Insel Ägina, die etwa eine Stunde Fahrzeit von Piräus entfernt liegt, bietet Schülern und Lehrern die Möglichkeit, sich von den Anstrengungen des Athen-Aufenthalts zu erholen. Von dort nehmen wir die Fähre nach Methana auf der Peloponnes. Hier geht es nun Schlag auf Schlag: Das Theater von Epidauros, die Burgen von Mykene und Tiryns, Korinth mit dem Kanal und der fränkischen Burganlage sind die bedeutendsten Stätten, die nun - ausgehend von Nauplia, der früheren Hauptstadt Griechenlands, - in Tagesausflügen angesteuert werden. Doch auch Nauplia selbst mit der Palamidi-Festung und seiner reizvollen Altstadt bleibt nachdrücklich in Erinnerung. Am Ende der Fahrt steht Olympia auf dem Programm. Der Besuch des Museums und des heiligen Bezirks findet seinen würdigen Abschluss in den Wettkämpfen der Schüler. Neben dem Stadionlauf wurden auch schon Standweitsprung, Ringkampf und musische Wettbewerbe veranstaltet, die Sieger mit Kränzen von Olivenbäumen geehrt. Besuchte Stätten in Griechenland 2014: Unser Reisenachweis
Unversehens hat man nach den 13 Fahrttagen nicht nur etwa 4000 km zu Wasser und zu Lande zurückgelegt, sondern auch eine Zeitspanne von über 3500 Jahren durchmessen. Die betrachteten Zeugnisse reichen von der kretisch-mykenischen über die archaische, klassische und byzantinische Epoche bis hin zum modernen Griechenland. Damit die Wahrnehmung dieser lokalen und zeitlichen Dimensionen nicht zu Verwirrung bei den Schülern führt, bedarf es einer intensiven Vorbereitung auf mehreren Vortreffen, sowie in den Leistungs- und Grundkursen Griechisch, Latein, Deutsch, Geschichte und Kunst. Eine Gruppe aus drei oder vier Schülern ist jeweils für einen oder zwei Besichtigungsorte verantwortlich, indem sie einen Beitrag für die vor der Fahrt fertigzustellende Mappe verfasst, ein Referat hält und vor Ort die Gruppe durch das Gelände führt.
Neben den Besichtigungen archäologischer Stätten, von Klöstern und Museen stehen aber auch Wanderungen auf dem Programm. Ferner soll der kulinarische Aspekt nicht unberücksichtigt bleiben, die griechische Kochkunst will schließlich auch genossen werden, z. B. bei einem gemeinsamen Abend in einer griechischen Taverne. Die für das Bestellen wichtigen Ausdrücke werden im Rahmen einer Neugriechisch-AG, an der Altgriechisch-Schüler in der Q1 teilnehmen können, gelernt.
Für einen Fahrtleiter gibt es sicher keine größere Anerkennung für die geleisteten Anstrengungen als die Freude und Dankbarkeit der Teilnehmer darüber, dass sie bei diesem einmaligen Ereignis dabei sein durften. Man kann nur hoffen, dass uns in Zukunft weiterhin die Gelegenheit gegeben wird, die Studienfahrten durchzuführen. Ohne die großzügige finanzielle Unterstützung seitens der Vereinigungen ehemaliger Theodorianer und der Eltern und Förderer ist nämlich der Fahrtbeitrag nicht in einem zumutbaren Rahmen zu halten.